Rezension zur Veranstaltung „Klassik im Klassenzimmer“ im Rahmen des Internationalen Musikfestes Goslar am Schulzentrum Realschule Seesen und Jacobson-Gymnasium.
In 80 Minuten am Klavier durch die Musikepochen
von Ulrich Kiehne
Pianistin Meryem Akdenizli zu Gast in der Aula des Schulzentrums
In der zweiten diesjährigen Veranstaltung des Projekts „Klassik im Klassenzimmer“ des Internationalen Musikfestes Goslar mit der Realschule Seesen und dem Jacobson-Gymnasium unternahm die Pianistin Meryem Natalie Akdenizli mit den anwesenden jugendlichen Zuhörern der beiden Schulen eine musikalische Reise durch die Epochen vom Barock bis hin zur Avantgarde.
Unterbrochen von kurzen Einführungen in die anschließend erklingenden Werke präsentierte die junge Künstlerin ein technisch und für die Ohren der anwesenden Schüler anspruchsvolles Programm, das von Johann Sebastian Bach über Ludwig von Beethoven und Franz Liszt bis hin zu Claude Debussy reichte. Mit der Toccata-Fantasia des zeitgenössischen Komponisten Janez Maticic, einer Hommage des 1926 geborenen Slowenen an Johann Sebastian Bach, schlug sie abschließend einen Bogen zurück zum Anfang ihres Konzertes.
Dabei beeindruckte die anwesenden Schüler wohl am meisten ihr scheinbar müheloser Wechsel zwischen der ebenso kraftvoll-virtuosen wie einfühlsamen Behandlung des Steinway-Flügels in der Aula des Schulzentrums und den im charmanten Plauderton gegebenen Informationen mit Klangdemonstrationen zum besseren Verständnis der Musik.
Gekonnt stellte Akdenizli schülernahe Bezüge („Liszt – der größte Popstar des 19. Jahrhunderts“) zu den von ihr vorgetragenen Werken her und ermöglichte den jungen Hörern so Zugänge zur hohen Kunst ihrer Musik. Darüber hinaus gab sie Anekdoten (eine Locke von der Haarpracht Liszts bzw. seines Hundes für die weiblichen Verehrerinnen) und bildhafte Veranschaulichungen der Musik durch außermusikalische Beispiele – immer aber nicht zum Selbstzweck oder zur bloßen Unterhaltung, sondern zum tieferen Verständnis der Werke. Denn sie ist nach eigener Aussage fest davon überzeugt, dass auch Schüler komplizierte Musik verstehen können. Deshalb möchte sie sie auch nicht mit „seichten Stücken“ abspeisen, sondern präsentierte den Seesener Schülern – übrigens prinzipiell auch am Vormittag im vollen Konzert-Outfit – mit Bachs Chromatischer Fantasie, dem letzten Satz aus Beethovens Appasionata, Liszts Ballade Nr. 2 und Debussys Prélude Feux d´artifice durchaus keine leichte Kost.
Gymnasiasten wie Realschüler lauschten der Musik hoch konzentriert und waren von der Leistung der jungen Profimusikerin, mit der sie die Aulabühne teilen durften, so überwältigt, dass ihnen am Schluss der Veranstaltung kaum noch Fragen an die Pianistin einfielen. Immerhin erfuhren sie noch einiges aus der Welt des Klaviers und der Konzertpianisten über asiatischen Drill und Tricks beim Auswendiglernen. Darüber hinaus erhielten sie nicht nur einen Überblick über wesentliche Epochenmerkmale, der über das Fach Musik weit hinausging, sondern haben zudem eine sympathische, junge Künstlerin kennen gelernt, die über ihre pianistischen Fähigkeiten hinaus einen Gutteil ihrer Publikumswirkung dadurch erzielt, dass sie ganz in der Musik, die sie spielt, aufgeht und es ihr ein spürbares Herzensbedürfnis ist, dieses Erleben an andere weiterzugeben.
Quelle: beobachter-online.de – In 80 Minuten am Klavier durch die Musikepochen – zum pdf Artikel
9. Internationale Musikfest Goslar – Harz vom 7. August bis 2. September 2011: Klassik im Klassenzimmer